Windgespräche
Malchower Auen
Der Kopf völlig starr, blicke ich wieder und wieder auf die Arbeitsanleitung, während die Wolle in meinen Händen immer mehr zu verfitzen scheint.
Englische Anleitungen führen hin und wieder zu Missverständnissen. Fingerbrecherisch das Muster.
Ein Blick aus dem Fenster, die Sonne lockt und der „Wollkopf“ weiß sofort wohin es gehen soll.
Immer mal wieder ist mir bei meinen Erkundigungstouren ein Schild „Fußgängerbrücke“ aufgefallen.
Ein weiterer Blick fällt auf die Karte, Orientierungspunkte ansehen, die ich mir in mein kleines, mich immer begleitendes Notizbüchlein schreibe.
Mädchennamen für Straßen. Zufall?
Waren wir doch erst vor ein paar Wochen auf der Suche nach einem Mädchennamen, da Erwin kein Erwin werden will. Lächelnd lege ich den Babyschlafsack und die Wolle entgültig für heute beiseite und entscheide mich für eine Windgesprächstour.
Sonne und ein leichter Wind sind mein Begleiter. Mit einem kleinen Umweg entlang der Rieselfelder, da ich ungern auf der vielbefahrenen Straße mit dem Rad fahre, komme ich schnell an die Margaretenhöhe. Hier war ich im Sommer schon einmal, hatte jedoch damals die rechte Seite entlang der Straße erkundet.
Heute sollte es also nach links gehen, mitten hindurch, durch die Kolonie Margarentenhöhe, vorbei an einer eingezäunten Fläche, die sich die Natur wieder zurückerobert.
In den Gärten ist mein Kopf noch nicht frei von den „Arbeitsgedanken“, so ist auch mein Blick noch sehr eingeschränkt. Erst als ich an der Fussgängerbrücke ankomme, öffnen sich meine Sensoren für die Umgebung. Wunderschön leuchtet die Sonne in letzten Blättern. Gold erstrahlt entlang der Bahntrasse.
Ich entdecke neue Wege, kann jedoch der Versuchung widerstehen und bleibe meinem eigentlichen Plan treu. Langsam schiebe ich Frau Ella über die Brücke. Für ein „was mache ich danach“ hatte ich mir keinen Kopf gemacht. Wollte mich einfach auf das was kommt und wie ich mich fühle einlassen.
Die Abfahrt der Brücke zieht sich bis an den Wartenberger Weg und für eine Umkehr war es mir noch zu früh. Weiter jedoch hatte ich keinen Blick in die Karte riskiert und so fuhr ich geradewegs einfach drauf los. Wege zum abbiegen gibt es genug.
Doch noch geht es ersteinmal entlang des Wartenberger Weges. Ein schmaler Weg und ein Schild wecken meine Neugier. „Malchower Aue“ steht darauf und läd mich ein, meine Neugierde zu stillen.
Entlang kleiner Gartenhäuschen auf der einen Seite, geht es auf einem schmalen Weg hinein ins „Ungewisse“.
Und spätestens als mich das Gelb der Pilze in seinen Bann zieht, sind Wolle und das Fingerbrercherische Muster noch ein Stück mehr verdrängt.
Hier und da und dort, überall gibt es etwas zu erblicken, selbst wenn es nur der Einfall der Sonne in die Baumriesen ist.
Saftig grün präsentierten sich die Mähwiesen vor mir. 8. Dezember. Nur der Kalender verrät, dass wir im Endmonat des Jahres angekommen sind. Und die Temperaturen locken nicht nur die Menschen hinaus. Sonnenstrahlgeweckt fliegen Mücken über die Wiesen.
Der Blick nach vorn, lässt vermuten, das dort mein Weg zu Ende sein könnte, denn er führt genau auf die Bahntrasse zu. Mitten hinein in davor wucherndes Schilf.
Ich zittere mich mit meinem Rad auf dem schmalen durchweichten Weg voran. Brabble vor mich hin, und blicke erst wieder nach oben, als mir ein Jogger lachend „Guten Tag“ wünscht. Nun muss auch ich lachen.
Grenzen verwischen sich hier, die kühlen Begegnungen aus der Stadt, sind hier Begegnungen voller Lächeln und einem freundlichen Hallo oder Nicken. Begegnungen, die zeigen das es kleine zwischenmenschliche Aufmerksamkeiten gibt. Das ist mir bei all meinen Erkundigungsspaziergängen bisher aufgefallen.
Der Weg wird matschig, ich schiebe Frau Ella und die Sonne strahlt auf zwei kleine Gewässer, die nun meine Aufmerksamkeit fordern.
Wolken flüstern. Der Himmel so nah. Die Umgebung verdoppelt sich. Torfstiche, lese ich auf der kleinen Tafel. Mooriger Geruch vermischt sich mit dem Duft von Kalmus.
Die Natur verschluckt die Geräusche der nahen B2. Hier erklingen nur Vogelzwitschern und das leise Säuseln im Schilf.
Die Sonne scheint durch die dunklen, fast kahlen Äste der Erlen. Schwarz heben sie ihre Ärmchen in die Lüfte. Andere liegen umgeknickt und dürfen den Tieren Schutz und Nahrung bieten. Eine kleine Wildnis unweit der Stadt. Klein, aber fein.
Ob die Autofahrer, die hier täglich auf dem Weg zur Arbeit oder Nachhause vorbeibrausen, von diesem Kleinod wissen?
Ein kleines Stück Natur, welches in seiner Unaufdringlichkeit so reich beschenkt.
Ich lasse Frau Ella stehen, kann mich nicht satt sehen an den wundervollen Spiegelungen, die sich bei jeder Bewegung neu präsentieren. Ein Schritt, schon verändert sich das Bild, schafft neue Eindrücke und über allem liegt eine unglaubliche Stille, gefüllt mit Tönen. Tönen aus Vogellauten, dem Wind und den Sonnenstrahlen. Sie scheinen dem Wind wie Harfensaiten zu dienen, auf denen er eine Melodie erklingen lassen kann. Sichtbare Töne. Fühlbare Töne. Sie schieben sich unter die Haut, hinein in den Kopf, ins Herz. Man kann sie einatmen, inhallieren und konservieren.
Ein Geschenk, das nichts kostet, außer sich darauf einlassen.
Eintauchen in den Moment, in die Umgebung, das Leben.
Abschalten.
Die Kopfstarre verliert sich, löst sich unter der Stille vollendes auf und verschwindet. Auf dem Rückweg entdecke ich weitere Kleinode und beschließe mich noch für eine Weile an den Malchower See zu setzen.
Einatmen ….
….. um Daheim mit neuer Energie weiterzuarbeiten.
Du verstehst es immer wieder gut, deine Leser auf deine Ausflüge mitzunehmen, sie so für andere erlebbar zu machen.
AntwortenLöschenDANKE
LöschenSiehst DU mein freudiges Lächeln?
Wenn ich das schaffe, hab ich viel erreicht
Herzlichst Danke ich Dir für Deine Lesezeit
Ganz sehr
Was ein schöner Ausflugstag - und das mitten im Dezember. Als wollte ich gerade mit, sehe ich mein kleines roten Fahrrad durch deine herrlich beschriebene Landschaft schieben. Fahren wäre ja zu schade, Frau könnte ja was übersehen.
AntwortenLöschenglg und danke für diesen Ausflugstag meine Schöne *wink*
(gerne noch mal wieder) :-)
Also, so ein Rad ist ja was feines :) ich erweitere ja meinen Radius. Aber oft schiebe ich, schon wegen der Eindrücke und wegen der Bilder.
LöschenLeider gibt es da in den Auen keine Bänke und zum einfach auf den Boden setzen wird es dort selbst im Sommer zu feucht sein. Jedoch ein Ort an den ich gerne zurückkehren werde.... Im Winter wird es ohne Umwege auch gar nicht mal zu weit um bis dorthin zu laufen.
Liebste Grüße an Dich mein Schneeweiß
Dein Rosenrot
DANKE
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