Freitag, 18. Dezember 2015

Eine Hand voll Glück

Es gibt nichts ergreifenderes im Leben, als einem kleinen Menschen das erste Mal die Hand zu reichen und zu spüren, dass wir seine Wurzeln im Baum des Lebens sind, die ihm Halt und Geborgenheit geben. 
Reinhard Becker 





Eigentlich hättest Du noch ein paar Tage Zeit gehabt, doch wie es scheint wolltest Du zu Weihnachten mit Mama daheim sein. Nicht Dein erstes Weihnachten in den wenig anheimelnden Räumen einer Klinik verbringen.
Du hast Dich in den letzten Tage geregt und bewegt. Getanzt und geboxt in Mamas Bauch. Wir haben oft unsere Späße gemacht darüber.
Aufgeregt waren wir alle und als Dein Papa dann gar noch einen neuen Arbeitsplatz bekam und ihn von heute auf morgen antreten durfte, war die Aufregung noch größer.
Deine Mama war die Ruhe selber. Schien es nur so? Nein, sie war es wirklich.
Erst als die Wehen einsetzen wurde sie auch ein wenig hibbelig.
Die Geburt Deiner Schwester war ihr noch zu gut in Erinnerung und keineswegs wollte Mami nach Lichtenberg in die Klinik. Dort ballten sich noch immer die Erinnerungen an jenen Tag vor sieben Jahren.
Es wurde langsam dunkel, als Mama mir schrieb, die Wehen gehen los. Wir tauschten uns über Abstände und Stärke aus, schließlich hatte ich einen weiten Weg bis zu Euch an den anderen Rand der Stadt.
Am späten Abend kam die Nachricht, wir holen Dich ab und fahren dann in die Klinik. Schläfst Du eventuell bei uns? Sofort packte ich meine Tasche und Mama und Papa holten mich ab. Dann ging es auf in die Klinik. Noch immer war Mami die Ruhe in Person. Papa dagegen wurde schon nervös.
Einer von uns durfte nur mit, Papa bekam natürlich den Vorrang und ich setzte mich in den Warteraum. Die Zeit tickte plötzlich anders. Krankenhäuser haben eben so ihren eigenen Rhythmus. Im Warteraum der naheliegenden Notaufnahme lief der Fernseher. Ein Mann aus der Putzkolonne polterte durch die Warteräume. Und die Elektronik der Türen zischte immer wieder in die Nacht, wenn jemand rauchen ging oder ein Notfall in die Ambulanz gebracht wurde. Die Sitzplätze in dem kleinen Warteraum der Geburtsklinik sahen einladend aus in ihrem hellen frischen Grün. Doch zum sitzen waren sie nicht geeignet. Schnell schmerzte der Rücken.
Ich wechselte die Warteräume, die Stühle waren weniger hübsch, aber das Sitzen war angenehmer. Als ein Patient in den Flur geschoben wurde und die Sanitäter mich mit einem Guten Morgen grüßten, schaute ich das erste Mal erstaunt auf die Uhr. Ein neuer Tag war schon lange angebrochen.
Es dauerte gefühlte lange Ewigkeiten bis Dein Papa um die Ecke schaute und mich fragte ob ich mit hinaus komme, es gäbe Probleme.


Die Ärzte hatten ein CTG gemacht, und beim folgenden Ultraschall festgestellt das Du zu klein bist und Dein Gewicht unter 2500 Gramm lag. Unverstehbar, denn Mama war ja jede Woche bei der Ärztin. War dies niemanden zuvor aufgefallen, das Du zu klein bist? Eine Versorgung nach der Geburt wäre in der Klinik nicht möglich und Mama müsste ins Krankenhaus nach Lichtenberg. Ausgerechnet dort, wo ihre schlechten Erfahrungen stattgefunden hatten.

Papa war nervös, machte sich Gedanken, war doch am nächsten Tag sein erster Arbeitstag auf den er sich so lange gefreut und daran gearbeitet hatte. Es machte ihm zu schaffen, dass er für Euch nicht so da sein könnte, wenn Mama am nächsten Tag dorthin fahren sollte.

Bis Mama kam, verging noch ein wenig Zeit, es gab noch einige Untersuchungen und die Papiere wurden ihr ausgehändigt.
Die Klinik schickte sie nach Hause mit den üblichen Ratschlägen und eben jenem Rat sich am nächsten Tagen Lichtenberg zu melden.

Die Nacht war kurz, Papa wurde von Mama schlafen geschickt, er sollte wenigstens etwas ausgeruht seinen ersten Arbeitstag antreten. Wir blieben im Wohnzimmer, machten es uns auf der Couch bequem und ließen alles auf uns zukommen. Die Wehen kamen ohne das sich die Zeit dazwischen änderte, ein paar kleine Mützen voll Schlaf konnten wir so ergattern bevor es Zeit wurde sich fertig zu machen. Mami hatte schon vor einiger Zeit einen Freund gefragt, ob er als Notfahrer in Frage käme. Sie informierte ihn und eine halbe Stunde später stand er vor der Tür. Wir waren fertig gemacht für den Tag und waren gespannt was uns in Lichtenberg erwarten würde. Mamas Koffer hatten wir dabei.
Angekommen in der Kreißsaalambulanz wurde Mami mit den Worten empfangen: „sie hätten sich acht Wochen vorher anmelden müssen!“ Ich saß im Wartezimmer und bewunderte Mami für ihre Ruhe, die sie noch immer bewahrte. Mit ruhiger Stimme erklärte sie die Situation, die Informationskette schien eine Lücke gehabt zu haben. So waren die hiesigen Schwestern nicht ausreichend informiert. Nach einer Weile kam dann eine Schwester und meinte Mama dürfe bleiben, die Untersuchungen werden heute vorgenommen und das erste Mal hörte ich zwischen den einzelnen Untersuchungen von Mama, „ich hab ein wenig Angst“.

Mir standen inzwischen die Nackenhaare. Babys bekommen war, als ich das erste Mal Mami wurde, noch so ganz anders. Wehen, Krankenhaus – ohne zuvor wochenlang vorher irgendwo angemeldet sein zu müssen.

Trotz anfänglicher Ruppigkeit beim Empfang, waren die anderen Schwestern und auch die Ärztinnen und Ärzte sehr nett.
Da Mami bei der ersten Geburt einen Kaiserschnitt bekam und Du als zu klein und vielleicht zu schwach eingestuft wurdest, rieten die Ärzte Mama zu einem weiteren Kaiserschnitt.
Wehen waren noch immer da, jetzt jedoch wieder mit größeren Zeitabständen. Inzwischen war es Mittag geworden und unsere fast schlaflose Nacht machte sich bemerkbar. Ein Kaffee und Bananenmilch für Mama halfen uns über den müden Punkt.

Der nächste Termin sollte, konnte jedoch erst in über zwei Stunden stattfinden. Es blieb genügend Zeit für einen kleinen Imbiss und ein wenig Erholung für Mama. Die Zeit schlich dahin, so kam es uns jedenfalls vor.
Dann war es so weit, der Anästhesist empfing Mama freundlich und mit einem aufmunternden Lächeln. Nachdem er ihr alles ausführlich erklärt hatte, durften wir wieder nach Hause fahren. Deiner Mama kamen nun viele Fragen in den Sinn. „Wer bringt mich am Freitag in die Klinik? Wie wird es am Donnerstag zu einem weiteren CTG?“

Doch Du kleine Lady wolltest es anders. Du wolltest das Mami und Papi zusammen in die Klinik fahren und so hatte Mama am Abend, als Papa von der Arbeit kam, alle fünf Minuten Wehen .........
Und nun bist Du da „Eine Hand voll Glück“
Bist klein mit Deinen 48 Zentimetern und nicht gerade schwer. Nur wenig mehr als zwei Tüten Zucker. Aber eben genausooo süß und noch viel mehr. Doch Du darfst bei Mama sein.
Als sie mir schrieb, bist Oma, lagst Du auf ihrer Brust und hast geschlafen. Herzgefühl – Herzinnendrinnen

Herzgefühl
Vertrauen
Liebe

Willkommen Eulchen





Geboren wird nicht nur das Kind durch die Mutter, sondern auch die Mutter durch das Kind.

2 Kommentare:

  1. ich wünsche euch alles Gute auf eurem gemeinsamen weiteren Lebensweg - die grenzenlose Liebe ist spürbar geworden.

    Frohe Weihnachten und mehr als nur besinnliche Zeiten *umärmel dich ganz ergriffen* mein Rosenrot <3

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  2. Solche Geschichten strahlen immer Hoffnung aus. Das ist gut so.

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