Donnerstag, 26. Mai 2016

Im Strudel

Im Strudel der Gefühle
zwischen lachen und weinen
sucht die Seele nach Halt

Sie tanzt mit den Erinnerungen
schwelgt in Begebenheiten
malt Herzen ins Himmelblau

Sie umarmt die Vergangenheit
bewahrt Andenken
fährt Achterbahn

Sie summt Kinderlieder
entzündet mit einem Lächeln
ein Feuerwerk

Sie sammelt Blütenköpfe
zaubert Butterblumengelbe Kränze
auf Gäneseblümchenwiesen

Im Strudel der Gefühle
zwischen lachen und weinen

findet die Seele Halt  


Samstag, 21. Mai 2016

Herzgefühl

Für Sabine 


Herzgefühl


Sich halten und lieben

Träume – erstrebt

Garantiefrei
Ohne Drehbuch
Das Herz führt Regie


Träume – erlebt

Hautnah und Seelenberührt
zum Bleiben verführt
Lebenslang

Träume – gelebt

Ohne Netz
und doppelten Boden
Liebe gibt Sicherheit

Ein paar Träume
übriggeblieben
in der Herzschatulle

werden sie aufbewahrt  

Freitag, 20. Mai 2016

Vanitas

Wohlgeformt
stolziert
die Eitelkeit
über
unsichtbare Bühnen
begleitet
von Infamie
und ertrinkt
danach

im Selbstgenuss

Donnerstag, 19. Mai 2016

Verrannt

Verrannt

Verdreht
in leeren
Wortspiralen
bleibt der
Ausweg
verborgen
Überlegungen
hasten durch
Labyrinthartige
fremde
Gedankengänge
Stehen
vor dem
Niemandsland

E.L. 


Samstag, 14. Mai 2016

Tamino ~ Ufergedanken

„Ein Versprechen kann ein Versprechen bleiben, selbst wenn wir es korrigieren.“
Nach diesen Worten hatte Emma den Brief beiseite gelegt. 

Noch war der Brief nicht vollendet. Durfte sie es bei diesen letzten Worten belassen?

Der See zog ihre ganze Aufmerksamkeit auf sich. Emma gab sich dem Moment ganz und gar hin.
Die Sonne tanzte auf den Wellen und sprenkelte Glitzerfunken auf das Wasser. In den Bäumen spielte der Wind, er neckte mal sanft, dann wieder fordern und die Blütenblätter schwebten zu seiner Melodie. Harmonisch bewegten sich die weißen, an Schneeflocken erinnernden Blüten in der Luft.
Ihren Platz unter der Kastanie würde Emma heute nur für einen kleinen Imbiss verlassen, beschloss sie bei diesem schönen Schauspiel.
Am Ufer gaben die Frösche noch immer ihr Konzert. Drosseln suchten nach Futter für ihre Jungen und Meisen zwitscherten in den Birken, deren Maigrüne „Zöpfe“ mit den Zweigen der Trauerweiden im Einklang um die Gunst des Windes wehten.
Dem fiel die Entscheidung nicht schwer. Er puste mal hier, mal dort in die Kronen der Bäume. Lies die weit in die Landschaft leuchtenden Kerzen der Kastanien sanft hin und her schaukeln und trieb selbst im noch trockenen Schilf seinen Schabernack. Rauschend wie Wasserfälle, bewegten sich die Blätter unter seiner Kunst.

Zwei Schwäne zogen majestätisch über den See. Ihr Flügelschwingen war überwältigend und zeigte ihre elegante Größe. Lange blickte Emma ihnen nach.
Nichts lärmendes störte diese Idylle.

Auf dem See tauchten zwei Kanuten ihre Paddel lautlos ins Wasser. Bunt schillernd fielen die Tropfen beim herausgleiten zurück auf die Oberfläche und holten Emma zurück ins jetzt. Zeit etwas zu essen und so ging sie ins Haus und bereite sich einige Sandwichs zu, die sie zusammen mit einem kühlen Getränk, mit an den See nehmen konnte.

Mit geschickten flinken Händen deckte Emma den Tisch. Auch wenn sie allein war, wollte sie es sich schön machen. Währenddessen kehrten ihre Gedanken an Tamino zurück, aber auch ein Hauch von Sehnsucht nahm mit am Tisch platz. „Ist es an der Zeit, ihn von seinem Versprechen loszusprechen?“ So lange schon hatte er sich nicht mehr gemeldet, doch was ist schon lange? Wie viel Zeit musste vergehen? Vielleicht hatte er sie schon längst vergessen? Doch Emma fühlte sich ihm noch immer so nah.
Als wolle sie sich die Gedanken an ihn wegwischen, fuhr sie mit der Hand über ihre Stirn, schob die vorwitzige rote Haarsträhne, die ihr der Wind ins Gesicht geschoben hatte, beiseite und begann zu essen.
Jetzt und hier! Dabei sollte es erst einmal bleiben. Nicht an ihn denken.
Doch es zeigte sich immer wieder wie sehr alles miteinander verbunden war. Gedanken sich vervielfältigten, verzweigten und nicht nur auf einen Menschen zutrafen. Auf der einen Seite Tamino, dann da Bibi, lieb gewordene Freundin, die sie vor einigen Jahren im Internet treffen durfte.
Austausch von allem war mit ihr möglich. Sich zurückziehen, aber auch alles miteinander schreiben, was bewegt und bedrückt.
Dankbare Augenblicke. Keine Selbstverständlichkeiten. Freundschaft. Wie gerne hätte Emma jetzt hier mit ihr gemeinsam gesessen. Worte ausgetauscht und auch zusammen geschwiegen.
Irgendwann würde die Entfernung keine Rolle mehr spielen.

„Ein Versprechen kann ein Versprechen bleiben, selbst wenn wir es korrigieren.“
Emma hatte sich entschlossen. Dies sollte der letzte Satz dieses Briefes bleiben.
Die Gedanken ließen sich später einmal weiterdenken, gemeinsam.
Ein kleiner Bericht, über das Erlebte würde sich in den nächsten Tagen noch an die Zeilen anschließen. Ein paar Postkarten dazu und getrocknete Blüten. So war Bibi wenigstens beim lesen und anschauen ein Stück dabei.  

Mittwoch, 11. Mai 2016

Emma

Wochen waren seit einer letzten Nachricht von Tamino vergangen. Inzwischen hatte der Frühling nach mehrmaligen Anläufen endlich Einzug gehalten und vielversprechend schien die Sonne vom Himmel.

Emma hatte sich nach einigen misslungenen Anläufen, endlich eine kleine Auszeit gegönnt und war zu einem ihrer Lieblingsorte gefahren. Zu oft hatte sie alles verschoben, weil sie auf die Erfüllung seiner Versprechen gehofft hatte. Doch er sollte nicht der einzige Bestandteil ihres Denkens werden.
Am See konnte sie Kraft tanken und ihren Gedanken freien Lauf lassen. Als Kind war sie einige Male in den Ferien an diesem idyllischen Ort gewesen, Jahre später führte sie ein kleiner Campingurlaub an jenen Ort zurück und sie verliebte sich in die kühlen Buchenwälder, die großen Flächen an Blaubeeren, den See und seine Insel. Die Urlaubstage musste sie damals abrupt abbrechen und nun nahm sie sich vor, sich von niemanden wieder ihre Erholung unterbrechen zu lassen.

Ihr Urlaubsdomizil lag in einen kleinen Garten, der hinunter führte zum See.
Obstbäume standen wahllos auf einer weitläufigen Wiese und der Wind lies zarte Kirschblütenblätter wie Schneeflocken auf und ab tanzen. Verträumt blickte Emma ihnen nach, ihre Schreibutensilien schon unter dem Arm.

Gerade hatte sie noch in ihrem Zimmer „Romantische Zärtlichkeiten“ genossen. Wunderbare Welt der Klassik. Begleitung in den erwachenden Tag. Zeit des Träumens. Zeit des Nachdenkens. Zeit, zu erwachen?!

Jetzt zog es sie hinaus, sie wollte die eben aufkeimenden Gedanken zu Papier bringen, sie in einem Brief zusammenfügen. Das Leben war nicht nur Tamino, doch die Gedanken trafen auf ihn, aber vor allem auf ihre liebste Freundin zu.
Unten am Wasser wuchs ein großer alter Kastanienbaum, dessen Kerzen sich wunderschön der Sonne entgegenstreckten und unter ihm stand, neben einem alten schiefen Holztisch eine Bank, die mit bunten Kissen geschmückt war.
Hier wollte Emma den Vormittag verbringen. Letzte Tulpen und sich sacht öffnende Pfingstrosen säumten den Baum.
Etwas weiter weg standen Salomonssiegel und tränendes Herz. Ein Bauerngarten mit alten schönen Pflanzen und Gehölzen, ganz wie in ihren Träumen und sie saß mittendrin.
Das kleine Häuschen hatte blaue Fensterladen und schon der Anblick schenkte ihr Ruhe und Gelassenheit.

Der Blick auf den See und die sich spiegelnden Wolken, beruhigte sie. Aufgewühlt von all den Gedanken sog sie tief atmend die Blütenduft geschwängerte Luft ein. Der Flieder nahe am Haus gab alles um die Umgebung mit seinem betörenden Duft zu erfüllen.

Sorgfältig hatte sie das Papier gewählt. Marmoriertes Grün, die Farbe der Hoffnung.
Der Stift glitt über die Seiten und ihre Gefühle formten sich zu Buchstaben und Sätzen.

„Hallo meine Süße,

so schnell werden Wünsche zerstört.

In mir pulsiert es, will raus.
Vielleicht treffe ich nicht immer die richtigen Töne,
vielleicht werde ich übergriffig oder sehe manches in einem falschen Licht.

Vielleicht …. doch von diesem vielleicht möchte ich mich nicht leiten lassen.
Keine Angst aufbauen, etwas falsches zu schreiben, sondern den Gedanken und Gefühlen Raum geben.

Als vorhin die Gedanken begannen zu sprudeln, hörte ich Beethoven und andere klassische Werke. Wenn Du magst, leg Dir die beigefügte CD ein.
Nun sitze ich am See, inmitten von Bäumen und Blumen, die meinem Wunsch, von einem alten Bauerngarten, sehr nahe kommen.
Der Wind treibt seine Spielchen und am See geben die Frösche ein Konzert. Begleitet vom Zwitschern der Vögel.
Ich habe einmal gelesen, man soll sich nicht sorgen. Sorgen um andere. Doch ich sorge mich. Sorge mich um Dich. Und wenn wir immer alles befolgen würden, was irgendwo steht, sterben die Gefühle und Empfindungen ganz aus. Ratschläge, gemacht, doch sie müssen ja nicht auf alles zutreffen.
Bleiben wir bei den Gefühlen.
Oder ich!? - oder doch wir?!

WIR, denn sobald Du fühlst, meine Zeilen tun Dir nicht gut, leg sie beiseite. Gib sie weg. Nicht schlimm.

Denn es geht um Dich! DU sollst Dich wohl fühlen und wenn mein Brief Unwohlsein bereitet, habe ich einen Schritt zu weit gewagt.
Ich setze in meine Zeilen keine Erwartungen, dass Du es mir gleich tun sollst, Wege beschreiten, die ich gegangen bin.
Ich gebe keinen Rat und versuche auch keinen Finger zu heben. Gratwanderung!
Bei allem was wir tun. Denn die Gefühlsebenen unseres Gegenübers stehen ja niemals mit den unseren Millimetergenau auf einer „Stufe“. So kann gesagtes, völlig anders ankommen.
Ich vergleiche uns auch nicht und doch gibt es „Ähnlichkeiten“. Ich spüre Deine Erschöpfung. Ich spüre wie all Deine Pflichten, Aufgaben und Versprechen auf Dir „lasten“ und Dir Kraft rauben.
Du bäumst Dich auf, sobald Du merkst Deine Kraft lässt nach. Du gibst Dich hin. Unaufhaltsam.
Hin und wieder ein Hauch von „ich denk an mich“ und doch spielen andere dabei immer wieder die erste Geige.
Ja, es ist schwer – ohne Frage.
Du powerst Dich aus.
Vor Zeiten hast Du ein Versprechen gegeben.
Jetzt kollidiert dieses Versprechen mit Deinen Wünschen. Normal. Sicher, da das Leben nicht anhält. Immer weiter geht. Wir uns entwickeln und bei allem haben wir fast nichts in der Hand.
Krankheit, Tod, die Arbeitsstelle verlieren, verlassen werden. Unbeeinflussbar.
Krankheit – manches können wir selbst helfen zu heilen. Jedoch nicht alles.

Versprechen können nicht immer zu tausend Prozent erfüllt werden. Auch nicht zu Hundert. Und es ist kein Versagen, wenn wir nicht alles schaffen zu erfüllen.
Unsere Kraft war zu dem Zeitpunkt des Versprechens eine völlig andere. Und auch die Lebenssituationen. Manchmal sprechen wir etwas aus, von dem wir glauben, es ein Leben lang erfüllen zu können. Weil es zu jenem Zeitpunkt stimmig war. Lebenssituationen verändern sich. Wir mit ihnen, sie sich mit uns.
„Ganz ehrlich“
ja – ganz ehrlich!
Wir, DU darfst aussprechen was Dich bewegt. Nicht nur nur jenes, was Dich in der großen weiten Welt bewegt.
Du blickst auf die Welt, siehst ihre Abgründe, „schreist“ sie hinaus.
Doch wo bei ALL dem bleibst Du?
„ Ganz ehrlich“ - raus mit dem was in Dir gärt, Dich herab reißt. Dich innerlich „zerstört“.
Dir Kraft raubt.
Halt Dich doch auch dort nicht … auch??? Halt Dich VOR ALLEM DORT nicht zurück!
Dein kleines großes Herz muss nicht immer für all und jeden und für die ganze Welt pochen.
Dein kleines großes Herz darf beginnen für Dich zu pochen.
Du bist großartig.
Doch sobald es um Dich geht, vergisst Du Dich selbst.
Vielleicht sehe ich manches in einem diffusen Licht und es ist völlig anders.
Doch ich fühle mich ins unser Miteinander hinein und es mahnt. Es sendet kleine Impulse.
Vielleicht denkst Du ja gerade, „Versprechen können wir nicht wieder zurück nehmen“.
Nein, das können wir nicht.
Doch wir können ihren Inhalt unseren Lebenssituationen anpassen.
Wir sind nicht egoistisch, wenn wir dies tun. Wenn wir dabei an uns und unsere vorhandene Kraft denken.
Nur, wenn IN uns alles stimmig ist, können wir mit ganzer Kraft leben. Und auch für andere da sein.
Ein Versprechen, kann ein Versprechen bleiben, selbst wenn wir es korrigieren.“


….
erst jetzt schaute Emma auf.
Wie gern würde sie ihre Freundin in diesem Moment und noch viel öfter in den Arm nehmen. Einfach nur halten.
Nicht nur Kilometer trennten sie, manchmal auch das Gefühl ihre Freundin kann ihre Umarmung nicht annehmen.

Die Sonne hatte inzwischen einen großen Weg zurückgelegt. Wärme zog unter die gigantische Kastanie, die jedoch wunderbar Schatten spendete. Zwei Schwäne flogen majestätisch über den See. Ihr Flügelschwingen war überwältigend und ihre Größe wurde beim Flug richtig sichtbar. Lange sah Emma ihnen nach.

Wie oft hatte Tamino etwas versprochen.
Versprechen – Versprechungen?!

In Emma lösten sich dank ihrer Freundin viele Gedanken – doch sie fand keinen Zugang. Noch nicht ….


„Kann man jemanden „freisprechen“ von Versprechen? Jemanden etwas von den Schultern nehmen, was sich dort türmt und türmt und langsam zu einem Rucksack voller Last wird?“  

Montag, 9. Mai 2016

Eingekehrt ~ Heimgekehrt Windgespräche

Die Weide
ungestutzt
träumt
heut
im Wind
Er
ruhelos
neckt
nicht nur
Wellen

Eingekehrt
Heimgekehrt
Einst Worte
ins Blattwerk
geschrieben
hat sie der Wind
davon getrieben
Erinnerungen
tauchen auf
tauchen ab
und
tanzen
mit den Wellen

Es riecht nach Flieder
Da klirrt ein Glas
Das Rad zeigt
farbenfreudig
Leben
Der Duft
von Zigarillo
schwebt …
ein Hauch Karibik
uns umweht
Dein Lachen
zieht an mir vorüber
Dann trifft es meins

...sie fliegen  

Samstag, 7. Mai 2016

Windgespräche

Windgespräche
zwischen Zeiten
die das Leben
neu gestalten.
Abschied
gab´s.
Verdrängt das es
so schnell geschehen kann?
Zwischen
Zeiten,
Möglichkeiten
abgewogen!
Vor- und Rück-
geblickt!
Und dann
ganz für mich
beschlossen.
Vorwärts geht es nur
und nicht zurück.
Abschied nehmen -
ohne Tränen.
Dennoch
voller Achtung,
für geschenktes Leben.
Windgespräche
zwischen Zeiten
All
das
WOLLEN
nicht bereut.
Wasser trägt nicht nur
die alten Bilder.
Wind,
er weht sie fort.

Ein Segelboot auf Silberwellen
hin zu neuen Ufern treibt.
Die Symbolik
mächtig-kräftig
weil es meinen Namen trägt.



Freitag, 6. Mai 2016

Fremde Welten?!

Aufgabe
gestellt von Lessa
ich habe heute was zum Anhören. Es ist der Beginn eines Liedes, gesprochen als "Eingangstext". Bitte hört es euch an, es dauert 1:26 Minuten. Mehr hört besser noch nicht, denn das Thema ist:

Wie geht es mit Luisa weiter?

https://www.youtube.com/watch?v=3pvImdAgD0w


Luisa – Juliane Werding


„Die Tür ist nur angelehnt
und sie geht hinein.
Ein langer Gang.
Ein Licht,
das sich bewegt.
Sie folgt dem Licht ….
und vergisst die Zeit.“



Weiter und weiter folgt Luisa dem Licht. Obwohl es sich bewegt, flackert es nicht. Konstant, wenn auch spärlich, leuchtet es den muffig riechenden Gang aus.
Sie rümpft die Nase. Beklommenheit macht sich breit und einen Moment lang tobt in ihr das Verlangen umzukehren. Doch die Neugier siegt, auch wenn ihr der anhaltende Geruch den Atem raubt.
Ihr wird schwindelig, taumelnd kommt sie der Wand nahe. Luisa bleibt stehen, greift nach einem nicht sichtbaren Halt, doch da ist nichts, keine Wand. Vor ihren Händen öffnet sich die Mauer zu einem Loch. Der Geruch verändert sich, die Umgebungsluft streift warm ihre Haut. Aromatischer Kiefernharzduft füllt die Nische aus. Weckt etwas in ihr. Nicht greifbar. Zu weit in ihren Erinnerungsschubladen vergraben. Und das Licht bleibt nicht stehen, lässt ihr keine Zeit zum verweilen, bewegt sich immer tiefer in den Gang hinein. Der Duft bleibt in Luisas Nase haften, doch die Wärme nimmt mit jedem Schritt, den sie auf das Licht zugeht, ab.

Hier und da erfühlt sie weitere Nischen. Mal ganz tief, dann wieder nur wenige Zentimeter der Wand einnehmend. Doch bei jeder Vertiefung verändern sich die Gerüche, verändert sich die Temperatur die Luisa umgibt. Das sich schneller bewegende Licht zieht sie mit sich, obwohl sie hier und da gern verweilen, den Veränderungen ihrer Empfindungen auf den Grund gehen würde. Doch so groß ihre Neugier auch ist, die Angst vor der absoluten Dunkelheit, vor dem Ungewissen, ist noch viel größer.
Jede Nische die sie passiert, bringt neue Eindrücke. Gerüche wechseln, Empfindungen kommen und gehen. Eben noch roch Luisa Wasser und ein großer bunter Ball flog davon, als schon der Geruch von Kaminfeuer nicht nur ihre Nasenflügel zum beben bringt.
Ihre Sinne schwinden, kehren ebenso schnell zurück. Es riecht nach Creme, nach Waffenöl, Zigarettenrauch, brennendem Wald. Dann wieder nach Sommer und Wärme. Um schon im nächsten Augenblick einer „Kaltfront“ entgegenzugehen.

Hinter ihr ertönen Schreie. Ihre Freundinnen rufen nach ihr. Suchen sie. Doch Luisa beginnt gerade ihre eigene Suche.
Der Lichtschein hält nicht inne, ist zwar langsamer geworden, aber sobald das Mädchen stehen bleibt, wandert das Licht schneller durch den alten Gang aus kühlen Felssteinen. Angetrieben von der Angst, hetzt sie hinterher. Je tiefer sie in die Dunkelheit gelangen, um so massiver werden die Gerüche und noch mehr Bilder tauche auf.
Nun zeigen sie nicht mehr nur Gegenstände.
Menschen treten ins Bild. Manchmal nur einer, dann wieder Gruppen. Alt und jung. Mann und Frau, Greise und Kinder. Sie reden in unterschiedlichsten Sprachen und tragen Kleidungen aus verschiedenen Zeitabschnitten. Sie singen und lachen und weinen.
Manche kommen Luisa so vertraut vor und doch ist sie sich nicht bewusst sie zu kennen.

Luisa zieht ihre Jacke über ihre schmalen Schultern fester zusammen. Ihr fröstelt. Angst kriecht ihr den Rücken hinauf. Lässt sie inne halten und erstarren.

Sie muss sich entscheiden – zwischen Neugier und der Beklemmung. Die Gerüche lösen in ihr Beklommenheit aus. Stehen bleiben, oder weiter gehen. Es ist wie ein Wahn, doch das Licht zieht sie weiter. Lässt ihr nun etwas mehr Zeit. In manchen Nischen sieht sie sich selbst. Als Kind, als Erwachsene, dann wieder ganz klein. Zeiten ändern sich. Die Hintergründe der Nischen ebenso. Abwenden von diesen Bildern kann sie sich nicht mehr. Sie rauschen auf sie ein, unaufhaltsam. Wie riesige Wellen die dem Ufer zu wogen.
Luisa fühlt sich allein, Tränen rinnen unaufhaltsam über ihr Gesicht. Eiskalter Wind braust durch den Gang. Kein flackern, kein ersterben des Lichts! Weiter weist es den Weg. „Nach vorn! Nach vorn! Nicht zurück!“
Doch ist nicht dort bei der Tür DAS VORN? Der Eingang?!
„Schreite ich hier nicht unweigerlich meinem Untergang entgegen?“
Wieder bleibt das Mädchen stehen, verharrend. Versteift. Und um sie herum tanzen Eindrücke.
Stampfend, leicht, fordernd, dann fast fliegend. Einige Bilder flattern an ihr vorüber, leicht und zart wie Schmetterlinge, andere stampfen wie eine im Gleichschritt marschierende Armee. Lassen es in ihrem Kopf dröhnen um im nächsten Moment lieblichsten Vogelgesang erklingen zu lassen.
Die Gerüche wechseln nach wie vor. Eine ganze Palette an Düften treibt ein wahnsinniges Spiel mit Luisa. Eben noch umwehte ihre Nase ein Duft von frischem gemähtem Gras um im nächsten Moment dumpf und alt in ihre Nase zu kriechen.

Die Zeit verrann und blieb zugleich auch stehen.
Hier gab es keine Zeit. Nur diffuse Dunkelheit, von der sie glaubte ihr niemals wieder entrinnen zu können. Auch ein Zurück kam nicht in Frage. Da gab es nur Schwarz.
Vor ihr tänzelte das Licht, wies ihr den Weg.
War da!
Mal fühlte sich Luisa völlig erschöpft, dann wieder stark und kraftvoll.
Sie starb auf diesem Weg gefühlte tausend Tode und wurde ebenso oft neu geboren. Luisa glaubte durch Jahrhunderte zu gleiten und fragte sich wieder und wieder ob sie in einen Zeittunnel geraten war.
Vernichtung, Wiederaufbau, Neu entstandenes, Abschied und Wiederkehr.
Verlust und Gewinn, nicht von materiellen Dingen. Freundschaften, Verwandte.
Es war ein Rausch – unaufhaltsam.
Sie stand in blühenden Gärten und auf verbrannter Erde. Sie lief durch den Sturm und lag lesend in einem Kornfeld. Sie hörte Schreie und leise Lieder.
Krankheit, Genesung, wechselnde Jahreszeiten begleiteten sie durch den Tunnel. Zu Beginn noch eng und muffig riechend, öffnete er sich immer mehr.
Die Unwohlsein fördernden Gerüche wechselten sich immer mehr ab mit Wohlgeruch. Dunkle Bilder wurden von freundlichen abgelöst.
Es schien kein Ende zu geben.
Ermattet blieb sie vor einer Nische stehen, in der sie kristallklares Wasser in einem Bergsee sehen konnte.
Umgeben von hohen Tannen und schneebedeckten Bergen schien der See friedlich in der Sonne zu dösen.
Aus diesem Bild strömte so viel Energie, die sie mit tiefen Atemzügen in sich auf sog.
Klare frische Luft schlug ihr entgegen. Eben noch glaubte sie, das Licht habe ein Einsehen mit ihr, als es mit rasanter Geschwindigkeit davon stob.
Es wurde Dunkel.
Nur der Schnee hoch oben auf den Bergspitzen glitzerte ein wenig.
Luisa lies sich diesmal nicht beirren.
Sie „trotzte“ ihrer Angst. Trat ihr gegenüber und genoss den Energieschub, den ihr die kleine Vertiefung in der Wand bescherte.
Wie von Ferne hörte sie leises Vogelgezwitscher, der Tunnel wurde wieder erhellt, die Helligkeit kehrte zurück. War da, wann immer Luisa vertraute. Das Bild wurde wieder vollständig sichtbar und ein spürbarer Windhauch zauberte kleine klare Wellen auf den bis eben noch spiegelglatten See.

Die Angst machte dem innerem Frieden Platz. Sie spürte, hier hatte sie ihre Übermächtigkeit verloren. Und Luisa überkam ein Gefühl von Freude und Glück.
Dieses Bildnis war völlig zeitlos. Nichts darin verriet irgendeine Epoche. Es war JETZT.
Einfach „nur“ jetzt.

DER Augenblick des Seins.