Einsam und niedergeschlagen zog er ziellos durch die stillen Straßen. Sie schienen verlassen und vergessen, genauso verlassen und vergessen wie er sich fühlte in letzter Zeit. Tamino hatte hoch gepokert und war tief gefallen. Aufgeprallt war er allein.
Keiner seiner Freunde war mehr da. Als Tamino kein Geld mehr um sich schmeißen konnte, drehten sie ihm alle schnell den Rücken zu und verschwanden.
Freunde? Nein Freunde waren sie wohl nie.
Schon lange war Tamino nicht mehr in dieser Gegend gewesen. Hier war er aufgewachsen, hatte die Schule besucht, sein Abitur gemacht,
sich das erste Mal verliebt. War mit Rena zusammengezogen und dabei wurden alle Pläne über Bord geworfen.
Doch ihre Liebe hatte dem Alltag und den gekippten Plänen nicht standgehalten. Ihre Erwartungen waren anders gewesen, hatten sich an diesen Plänen aufgebaut und die neue Struktur in ihrer Beziehung tat beiden nicht gut. Rena verliebte sich neu und verließ ihn Hals über Kopf.
Da begann er zu pokern, lies sich auf spekulative Geschäfte ein, zog durch Bars und vergaß all seine Vorsätze, seine Sehnsüchte und Träume. Tamino schrammte immer am Lebenslimit und plötzlich war seine scheinbare Glückssträhne vorbei. „Ist Spiel Glück? Bleibt dabei nicht vieles auf der Strecke? Ist schon alles verloren?“ Eingebungen,
die ihn in den letzten Tagen immer wieder beschäftigten, er aber aus dem Hamsterrad keinen Ausweg fand.
Dort vorn war seine ehemalige Schule, wie magisch zog ihn das alte Backsteinhaus in seinen Bann während seine Betrachtungen immer mehr in die Vergangenheit tauchten.
Je näher er dem Gebäude kam, umso näher kamen seine Gedanken auch seiner Familie und alten Freunden, die er im ersten Taumel der scheinbaren Glückseligkeit über den großen Geldsegen, vergessen hatte.
Vier große helle Plakate, die zwischen die Fensterreihen der einzelnen Etagen gespannt waren, zogen seine Blicke auf sich. Noch konnte
er nicht lesen was auf ihnen stand, doch seine Schritte wurden immer entschlossener. Er hatte von diesem Projekt vor einiger Zeit etwas im Internet gelesen, nun, durch Zufall, kam er dazu, es sich ansehen zu können.
Das große eiserne Tor war nicht verschlossen und so betrat Tamino den Schulhof. Unter den alten großen vertrauten Kastanien und Linden von einst stand noch immer die kleine rote Bank. Der Hausmeister musste sie vor einiger Zeit frisch gestrichen haben, denn die Farbe war glatt und glänzend.
Von dort würde er einen guten Blick auf die Plakate haben. Tamino setzte sich, er atmete tief den lieblichen Duft der Linden ein und ein Gefühl von Vertrautheit machte sich in ihm breit, während seine Augen über die Schriften glitten.
In großen Lettern prangten vier Zitate auf ihn herab.
„Glück ist nicht in einem ewig lachenden Himmel zu suchen, sondern in ganz feinen Kleinigkeiten, aus denen wir unser Leben zurecht zimmern“ Carmen Sylva (1843 – 1916)
„Es ist nicht wenig Zeit, die wir haben, sondern es ist viel Zeit, die wir nicht nutzen.“ Lucius Annaeus Seneca ( 4 v. Chr. - 65 n. Chr. )
„Von allen Geschenken, die uns das Schicksal gewährt, gibt es kein größeres Gut als die Freundschaft – keinen größeren Reichtum, keine größere Freude.“ Epikur von Samos (341 v. Chr. - 270 v. Chr. )
Alle diese Zitate ließen ihn zusammenzucken, nachdenklich werden und das vierte lautete;
„ Eines Tages wirst Du aufwachen und keine Zeit mehr haben für die Dinge, die Du immer tun wolltest. Tu sie jetzt!“ Paulo Coelho (24. August 1947 - )
Tamino hatte das Gefühl, als wäre dieser Satz einzig und allein nur für ihn geschrieben worden.
Wie viele Dinge wollte er schon tun und verschob sie immer wieder auf später?!
Zeit.
Alles hatte noch Zeit.
„Später.“
„So Gott will.“, waren oft seine Ausreden gewesen, während er statt dessen auf sinnlosen Partys Menschen traf, die so oberflächlich und nichtssagend waren.
Seine alten Werte hatte er für diese Scheinwelt verraten und verkauft.
Schneidend zogen diese Sätze durch seine Gedanken. Nisteten sich ein und hämmerten
TU SIE JETZT , tu sie jetzt, tu sie jetzt. …..
Es waren kleine Dinge, die Tamino immer wieder verschob. Keine Weltreise, kein Urlaub auf einer Insel.
Nein, da war der Besuch bei seiner Mummi. Nach dem plötzlichen Unfalltod seines Vaters waren sie sich nur noch einmal begegnet. Jeder
hatte sich in seinem eigenen Schmerz vergraben und dabei völlig vergessen, den anderen einfach in den Arm zu nehmen. So schufen sie eine unsichtbare Kluft, mit einer ebenso unsichtbaren Brücke, die beide nicht betraten. Die inneren Konflikte ließen es nicht zu, aufeinander zuzugehen und so klaffte der äußerliche Abstand wie eine eiternde nicht heilen wollende Wunde und das Herz sehnte sich nach einer Begegnung.
Tamino´s Gedanken schweiften auch zu einem Brief, den er schon so lange unbeantwortet gelassen hatte. Der Brief war inzwischen ganz „abgelesen“, weil er ihn immer bei sich trug und oft Emmas Gedanken in seinen Händen hielt und sie las. In ihnen eintauchte, sie genoss. Sie erzählte ihm in ihren Zeilen von ihrem Frieden
den sie nun gefunden hatte und von der Freude, der sie immer wieder auf´s neue folgte.
Kleine Gesten waren es, die er schon immer tun wollte, aus falschem Stolz jedoch nie tat. Die ihm unwichtig erschienen und er sie deshalb immer wieder verschob.
Dabei war Emma die einzige, die noch immer zu ihm hielt. Mit kleinen Aufmerksamkeiten bereite sie ihm oftmals in seinen dunkelsten Zeiten eine kleine Freude und schenkte ihm damit das Licht, das ihn aufrecht erhielt.
Und dann war da ja noch diese EINE Sehnsucht. Jene, über die er nur mit Emma gesprochen hatte und die neben dem Heimweh so sehr in seinem Herzen brannte.
Auf Emmas Frage „Welche Sehnsucht trägst Du tief in Dir?“ brauchte es keine lange
Überlegungen. Diese Sehnsucht lebte in ihm, sie zeigte sich oft vor seinem inneren Auge und auch in seinen Träumen. Ein Bild hing an seiner Wand neben dem Schreibtisch, erinnerte ihn an den Wunsch, einmal in den Sonnenaufgang zu reiten und auch an Emma, sie hatte ihm dieses kleine Bild gemalt. Ein Pferd im Sonnenaufgang.
„Warum nur habe ich es bisher nur beim träumen belassen? Noch ist es nicht zu spät. Für nichts. TU SIE JETZT!“
Trotz später Stunde griff Tamino zum Handy und wählte die Nummer, die unter Mummi gespeichert war. Er hörte den Rufton und sein Herz begann aufgeregt und laut zu schlagen. Viel zu lange hatte er die geliebte Stimme nicht mehr
gehört, die ihm in all seinen Kindertagen zu jeder Zeit tröstende Worte schenkte.
„Hallo Mummi, ich bin´s“, entgegnete er dem leisen, traurig klingendem „Hallo“, welches ihm von so fern und zugleich so nah, entgegenflog.
„Oh mein Junge, wie ich mich freue von Dir zu hören.“
„Mummi“............... es entstand eine längere Pause in denen beide schniefend Luft holten, „Mummi, ich möchte Dich besuchen kommen, ist Dir das recht?“
„Warum fragst Du Großer? Du bist immer und zu jeder Zeit hier willkommen.“
Tief sog er die warme Nachtluft und ihre Antwort in sich ein. In ein paar Stunden würde die Sonne aufgehen.
„Mummi, ich mach mich gleich auf den Weg, doch zuvor muss ich meiner Sehnsucht folgen und ich komme dann nicht allein. Wir sind gegen Mittag bei Dir.“
Und noch ehe sie Fragen stellen konnte, legte Tamino auf und machte sich auf den Weg, seiner Sehnsucht zu folgen, doch das wollte er nicht allein … in der Tasche seiner Jeans fühlte er Emmas Brief. Er würde ihn beantworten ….. während er mit ihr gemeinsam der aufgehenden Sonne entgegen ritt.
was für eine Geschichte - gehen bis zum Ende, um sich dann selbst aus *dem Trüben* zu fischen.
AntwortenLöschenGefällt mir gut und ist so schön und einfühlsam geschrieben. Und jeder erkennt - alles ist möglich!
Danke für liebe Ella :-) auch für diesen Gedankenanstoß und gute Nacht *lächel*
War eine "Aufgabe" bei mystorys und ich habe mich wahnwitziger Weise dazu angemeldet.
LöschenMich messen - mit den Größer dort ...
Bin ja noch am üben mit dem Schreiben
Bin auf die Kritiken gespannt.
Liebe Grüße an Dich liebe Vanga
viel Erfolg wünsche ich dir !!!!!!!!
Löschenund wer ermittelt Größen ? *lach*
:) Du hast ja recht
LöschenLiebste Grüße an Dich Schneeweiß
Dein Rosenrot
Eine berührende Geschichte, die sicher Erfolg hat.
AntwortenLöschenErfolg?
LöschenEs geht nur um konstruktive Kritik
das Thema war Paulos Zitat .... oder die Vorgabe und wir sollten unseren Protagonisten darum "basteln".
Ich hatte das Gefühl, dazu fällt mir niemals etwas ein.
Dann lag ich im Bett und die Gedanken tanzen Polka im Kopf
*lächel*
vielleicht ist es falsch nicht nach Erfolg zu streben
Wenn ich meine Mitstreiter Geschichten sehe ... dann weiß ich
ich bin nur ein kleiner "Schreiberling" unter Autoren
erfolg ist, wenn es die Leser anspricht, oder? Die Zahl der Leser ist da zweitrangig.
LöschenAn Zahlen habe ich dabei gar nicht gedacht ...
LöschenÜbrigens
ja, dann hatten wir einen ähnlichen Gedanken
Mich hat heute etwas so sehr angesprochen :-)
das ich dachte,
wenn ein Autor DAS schafft, jemanden dermaßen zu berühren
dann hat er viel erreicht
Berührte Grüße an Dich und meinen DANK für die Lesezeit