Montag, 4. April 2016

Greta ~ Schnitter ~

Wenn Texte sich "verdichten" ....
Oder Gedanken, neue Gedanken nach sich ziehen!



Entfesselt

In blutroten Furchen wachsen eherne Tränen, verwurzelt ohne Angst vor der Sonne Glut. Gefesselte Hülle, die ewig nach Schmerzen sucht. Hörst du das Dengeln der
Schnitter? Die Sensen gewetzt. Sie ziehen in Reihen, Gefühle werden gehetzt. Sense trifft Träne metallener Schrei, zerreißt erzwungene Stille. Schreit die Seele sich frei.

Auszug aus "Greta"

.... Greta schloss die Augen, wollte sich zurück träumen, in die Burg, in den Raum zu der kühlen Schwarzhaarigen
und ihren geheimnisvollen Begleitern. Doch ihre Erinnerungen trugen sie auf eine große Wiese. Ihr bot sich ein scheinbar idyllisches Bild. Heiße Sommersonne flimmerte in der Luft und am Ackerrand wieherte ein Pferd. Auf den Wiesengrundstücken waren ein mageres Mädchen und ein quirliger Junge beschäftigt, duftendes Heu auseinander zu streuen, über Nacht war es zu Schwaden zusammen gerecht worden. Nun sollte der Tau von den Halmen trocknen, bevor die Ernte eingefahren werden konnte. Feuchtigkeit würde dem Viehfutter nur schaden. Das Heu musste auf der Gabel trocknen, niemand wusste wie morgen das Wetter sein würde und
das Futter für die Kaninchen sollte sicher auf dem Heuboden landen. Auf einem anderen Stück Wiesengelände waren ein Mann und eine gebeugte Frau dabei das hohe Gras zu mähen, immer wieder wetzten sie ihre Sensen und stießen diese wieder und wieder in das saftige Grün. Eine hochschwangere Frau tränkte das Pferd. Hier, am Rande des kleinen Baches gab es das beste Futter für das Vieh und noch war das Wetter schön. Die gleichmäßigen Geräusche der Sensen wurden von Vogelgezwitscher und dem Quaken von Frösche begleitet und nur ganz selten riss der Takt, mit dem die beiden das Gras schnitten, ab. Mal war der Mann, mal war die Alte ein wenig
schneller mit dem Wetzen der stumpf gewordenen Schneide. Zischend glitten die Sensen mit kräftigen Schnitten durch das Gras und mit gekonntem Schwung fiel es gleichmäßig auf die linke Seite. Synchron waren die Bewegungen der Schnitter. Bahn für Bahn zogen sie über die Wiesenaue und schon bald mischte sich unter den Heuduft der Geruch von Kräutern und frisch gemähtem Gras. Am unteren Ende der Wiese, wo die Erde durch den nahen Bach besonders feucht war, ließ sich ein Storch nieder. Stolz schritt er zwischen den frisch gemähten Reihen hin und her und suchte nach Fröschen, die vor dem Geräusch der Sensen regelrecht flüchteten. Hier fand
er genug Nahrung für seine hungrigen Jungen. Schon bald waren die Kinder fertig mit dem auseinander rechen und sie folgten Vater und Großmutter und warfen das Gras weit auseinander.
Währenddessen griff sich die hochschwangere Frau einen Krug und ging zum nahen Bach, füllte ihn dort mit frischem klaren Wasser und brachte ihn zu den Schnittern. Das schmale rothaarige Mädchen und der semmelblonde Junge schmissen die Gabeln beiseite und balgten sich im frisch gewendeten Heu, wollten sich ein wenig erholen, doch schon waren sie ertappt.
„He“ kam ein lauter Ruf des Mannes, dem ein böser Blick der schwangeren Frau folgte. Das Bild der Idylle war zerstört. Schnell richteten die Kinder sich auf und kümmerten sich wieder um ihre Aufgabe. Erschöpft und müde wurden ihre Bewegungen zunehmend langsamer, doch die Erwachsenen trieben sie immer wieder an. Greta wollte aus diesen Bildern und Erinnerungen aussteigen, die Gedanken unterbrechen, sich von ihnen lösen, doch inzwischen liefen sie wie ein Film vor ihr ab. Eine Stopp Taste gab es
nicht. Der Tag war vorangeschritten, die Sonne stand hoch am Himmel und die Erwachsenen beluden ein Fuhrwerk mit dem von den Kindern gewendeten Heu. Die Beiden hingehen rechten alles zu Haufen zusammen, so das ihr Vater schneller den Wagen beladen konnte. Die Alte nahm oben das Heu ab und stopfte es in den Leiterwagen. Kein Platz sollte vergeudet sein. Die Schwangere kümmerte sich um das Pferd. Schnell war das Heu verstaut und die beiden Frauen nahmen auf dem Fuhrwerk Platz, während der
Vater den kleinen Buben mit den Worten „halt dich gut fest“ auf den Heuberg setzte. Die drei brachten die Ernte nach Hause. Allein blieben das kleine dürre Mädchen und der Mann. Greta begann unter ihrer Decke zu frösteln. Doch es gab kein zurück, der Film lief. Und weitere Bilder zeigten sich ihr. Immer näher kam der Vater auf sie zu, sein vom Alkohol geschwängerter Atem zerstörte den Duft von frischen Heu und flirrender Sommerluft. Seine Finger bewegten sich kreisend auf ihren schmächtigen Körper
zu und stießen immer wieder heftig gegen ihre schmale Mädchenbrust. Die Kleine zitterte, begann zu weinen, doch er hörte nicht auf. Schnell lief sie in Richtung Wald, überquerte die marode, wacklige Brücke und suchte sich einen Weg durch das Dickicht des Waldes. Brennnesseln streiften ihre nackten Beine und Arme, doch diesen Schmerz beachtete sie nicht, aus Angst weiter die Finger auf ihrem Körper spüren zu müssen. Er rief ihr hinterher, doch er lies sie laufen. Viel Gras musste noch gemäht werden. Die Kleine saß zwischen Bäumen im
dichten Unterholz und beobachtete, dass schon bald das Fuhrwerk zurück kehrte. Die beiden Frauen schienen das Mädchen zu vermissen, denn auch sie riefen nach ihr. Erfolglos gaben sie auf und widmeten sich weiter den noch anstehenden Aufgaben. Allmählich bekam die Kleine Hunger, denn inzwischen war es später Nachmittag geworden, die Sonne begann sich langsam auf ihr Nachtlager vorzubereiten und die Familie belud ein weiteres Mal das Fuhrwerk und fuhr, ohne sich noch einmal nach dem Mädchen umzusehen davon. Ihr knurrender Magen und die
hereinbrechende Dunkelheit im dichten Wald begannen sie weinen zu lassen. Abendkühle und die aufsteigende Feuchte des nahen Baches ließen sie frösteln. Die Sonne schaffte es nicht das dichte Unterholz zu durchdringen und den von Laub und Farn bedeckten Waldboden zu erwärmen. Langsam kroch sie aus dem Dickicht, schöpfte an einer seichten Stelle ein wenig Wasser um ihren Durst zu stillen und lief zurück zu den Wiesen. Auf dem Weg dorthin sah sie die Alte auf sich zukommen. Schnell lief sie in ihre Arme. Auch wenn diese immer ihren Bruder bevorzugte und sie
sehr kühl behandelte, freute sich die Kleine jetzt, sie zu sehen. Fast sanft strich das Weiblein ihr über das Haar und wischte mit dem Kittel die Tränen aus ihrem Gesicht. Dann ging es auf nach Hause. Langsam, aber dem Kommenden unausweichlich, kamen die beiden zu Hause an, dort stand die Schwangere schon mit einem Holzlöffel bereit und prügelte ohne Sinnen auf die Kleine ein. Dabei stieß sie immer wieder hervor. „Du kleines faules Miststück, du kleines faules Miststück, dich lehre ich was es heißt sich vor der Arbeit zu drücken.“ Hungrig und blau geschlagen, ohne sagen zu können, wieso sie die Wiese verlassen

hatte, begab sich die Kleine schlafen. Gedemütigt, mit tränennassen Augen vertraute sie sich flüsternd der Dunkelheit an. Knurrend machte sich Greta´s Magen bemerkbar. Holte sie zurück ins jetzt. Inzwischen waren die kleinen Kerzen herunter gebrannt und nur die Lichter der Straßenlaternen erhellten ein wenig ihr Zimmer. Woher nur kamen alle diese Bilder? ….............

4 Kommentare:

  1. aufgewühlt macht mir dieser Text zu schaffen ….

    mein Kommentar von heute morgen ist bei dir nicht angekommen und manche Worte sind wirklich nur eine Leihgabe – doch auch noch in der heutigen Schreibwerkstatt lagen deine Zeilen immer noch über mir:

    Mami fass‘ mich an
    deine Hand sie kann
    mich führen während ich erzähle
    Worte ohne Klang
    stumm ist der Gesang
    still der Schrei aus meiner Seele

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  2. aber sonst ganz toll geschrieben ........ aus einem anderen Leben!

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    1. Elke Lüder

      Zerbrochene Kinderseelen

      Kinderseelen
      ausgebrannt!
      Mutterauge
      weggeschaut!
      Verantwortung
      davongerannt!
      Kinderherzen
      ausgelaugt!


      Kinderaugen sollten fröhlich sein,
      doch in ihren Augen sieht man nur die Pein!
      Kinderlachen sollte hell erklingen
      man sollt es nie erzwingen!

      Mutter mach die Augen auf,
      schenk Deinem Kind ´nen schönen Lebenslauf.
      Tränen sollten nur aus Freude fliessen,
      Kinder soll´n das Kindsein doch geniessen.

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